Studie: Taxol in 80% der Fälle wirkungslos und unnötig

Als schweren Rückschlag für die Befürworter der adjuvanten Chemotherapie bei Brustkrebs muss man die Ergebnisse einer Studie werten, welche vor kurzem im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden ist.

Diese hatte nämlich ergeben, daß das bekannte Medikament Taxol für die meisten betroffenen Frauen keinerlei Nutzen hat. Man schätzt daß jährlich etwa 20.000 Amerikanerinnen im Anschluß an ihre Brustkrebs-OP Taxol verabreicht wird, um zu versuchen, dem Wiederauftreten ihres Krebses medikamentös vorzubeugen. Ihre Zahl repräsentiert etwa die Hälfte aller mit Chemotherapie behandelten amerikanischen Brustkrebspatientinnen.

Taxol wird häufig als Teil des sogenannten ACT-Regimes gegeben, das eine Kombination von drei in Folge und in unterschiedlichen Intervallen verabreichten Medikamenten ist. Üblicherweise wird Adriamycin (mit Wirkstoff Doxorubicin) zusammen mit Cytoxan (mit Wirkstoff Cyclophosphamid) in 4 Zyklen gegeben auf welche dann 4 Zyklen Taxol (mit Wirkstoff Paclitaxel) folgen.
Die beunruhigende neue Analyse ist von der Krebs- und Leukämie-Gruppe B (CALGB Cancer & Leukemia Group B) unternommen worden, ein Konsortium für Forschung und klinische Versuche, das unter anderem Dr. Larry Norton, Dr. Eric Winer und andere bedeutende Ärzte des Sloan-Kettering Krebszentrums und aus anderen ähnlichen Einrichtungen umfasst. Die Studie nutzte modernste genetische Analysemittel um Daten zu analysieren, welche schon 1990 im Zuge einer klinischen Studie gesammelt worden sind.

Jedes Jahr erhalten etwa 175000 Amerikanerinnen die Diagnose Brustkrebs. Bei ca. einem Viertel von ihnen wird ein lokal fortgeschrittener Brustkrebs festgestellt, das heißt, der Krebs hat z.B. schon nahe gelegene Lymphknoten befallen, jedoch noch nicht bis zu weiter entfernten Organe wie z.B. der Leber gestreut.
Viele Leser mögen noch die an Hysterie grenzende Reaktion erinnern, welche auf die Zulassung dieses so genannten natürlichen Wirkstoffs in den 1990ern folgte (Taxol ist ein halbsynthetisches Derivat der Pazifischen Eibe, auf latein ‚Taxus Baccata‘ genannt). Die amerikanische Behörde für Nahrungsmittel und Medikamente (Food and Drug Administation, FDA) erteilte 1999 die Zulassung für die Gabe von Taxol als adjuvante Behandlung bei Brustkrebs in abwechselnder Verabreichung mit Adriamycin.

In der aktuell veröffentlichten Studie der CALGB wurden nun 3000 Frauen mit (damals) fortgeschrittenem Brustkrebs untersucht die das Medikamentenregime ACT erhalten haben, in dem, wie zuvor beschrieben, Taxol einer von 3 im Wechsel verabreichten Chemotherapie-Wirkstoffen ist.

Die Nebenwirkungen von Taxol sind gut bekannt: Sie sind im Beipackzettel aufgelistet und können auch sehr leicht auf der Webseite der FDA (www.fda.gov) gefunden werden. Anbei sind ein paar Statistiken, abgeleitet von einer Studie mit 812 Patientinnen bei denen ausschließlich Taxol zur Anwendung gekommen war:
Blutarmut, 52-90% der Patienten Dosisabhängig
Leukopenie, (Verringerung der weißen Blutzellen) 17-90%
Anämie 16-78%
Infektionen 30%
Übersensible Reaktionen 41%
Anormale Elektrokardiogramm-Ergebnisse (EKGs) 23%
Periphäre Nervenleiden 60%
Muskel- und Gelenkschmerzen 60%
Übelkeit und Erbrechen 52%
Haarausfall 87%
Nebenwirkungen der Injektion 13%
Einige dieser Nebenwirkungen wie z.B. Taubheit oder Kribbeln in Händen + Füßen bleiben für Monate + Jahre nach der Behandlung mit Taxol bestehen. Die CALGB-Autoren analysierten gefrorene Tumorgewebeproben von 1500 Teilnehmerinnen der Studie von 1990 und führten Tests durch mit deren Hilfe sie den genetischen Typ des jeweiligen Tumorgewebes identifizieren konnten. Sie fanden große Unterschiede zwischen den Patientinnen die auf Taxol günstig reagierten, und denen, die keine positive Reaktion gezeigt hatten.

Bei Frauen mit Östrogenrezeptor-positivem (ER-positivem) Krebs und bei Frauen mit HER2-negativem Krebs – und etwa 80% aller von Brustkrebs betroffenen Frauen fallen in diese Kategorie – führte Taxol zu keinerlei Vorteil bezüglich ihrer Überlebenschancen.
Bei Frauen deren Krebs hingegen als HER2-positiv eingestuft war und bei Frauen deren Krebs ER-negativ war, bewirkt Taxol immerhin eine
mäßige Verbesserung ihrer Gesamtüberlebenschancen.

Wie die Studie also ergab, führt die Verabreichung von Taxol damit nur bei etwa 20% aller Frauen mit Brustkrebs zu eine Verbesserung ihrer Überlebensaussichten!
„Die Tage in denen für alle Betroffenen die gleiche Therapie galt neigen sich bei Patientinnen mit Brustkrebs langsam einem Ende zu“ sagte Dr. Anne Moore vom Medizinischen Fachbereich der Universität Cornell welche im New England Journal of Medicine den Leitartikel verfasst hat der die Veröffentlichung der Studie begleitete.

„Wir hätten das schon längst tun sollen” sagte der Co-Autor der Studie, Dr. Donald Berry vom Dr. Anderson Krebszentrum an der Universität von Texas, „aber uns fehlten bisher einfach die passenden Werkzeuge. Außerdem haben wir heute den Vorteil, daß wir das Schicksal der damals betroffenen Frauen im Rückblick lange nachverfolgen können. Nun“, sagte er, „können wir endlich die individuelle Biologie der Krebserkrankung nutzen, um zu entscheiden, welche Chemotherapie am erfolgversprechendsten sein wird“, und das, bevor man sie an Patientinnen anwendet.
„Wir möchten erst sicher stellen, daß unsere Ergebnisse auch korrekt sind, bevor wir es [Taxol] einigen Patientinnen vorenthalten“ sagte der leitende Wissenschaftler Dr. Daniel Hayes von der Unversität von Michigan. „Auf der anderen Seite wollen wir jedoch auch keine Therapie beibehalten die wirkungslos ist“
Sollten nun Frauen mit HER2-negativem und ER-positivem Krebs die Verwendung von Taxol ablehnen? Nach den gerade bekannt gewordenen Daten zu urteilen… höchstwahrscheinlich ja!
Laut Dr. Julie Gralow vom medizinischen Fachbereich der Universität von Washington gibt es jedoch trotz der dieser überraschenden Ergebnisse der Studie Hinweise darauf, daß viele Ärzte weiterhin Taxol an die meisten Frauen mit Brustkrebs verabreichen werden. Einige Ärzte fürchten nämlich juristische Konsequenzen falls bei einer Patientin der Krebs später wiederkehren sollte ohne daß zuvor von allen chemotherapeutischen Möglichkeiten gebrauch gemacht worden ist. „Es ist für sie so viel einfacher Chemotherapie zu verabreichen in dem Wissen, so aggressiv wie irgend möglich vorgegangen zu sein“

Frauen mit weniger aggressivem Brustkrebs sollte auch bewußt sein, daß der absolute Vorteil einer Chemotherapie in ihrer Situation in jedem Fall recht klein sein wird. Als Beispiel sie der Fall einer 50-jährigen Patientin mit durchschnittlicher Gesundheit genannt die einen 1.1cm bis 2cm großen Brusttumor im Stadium I zusammen mit 1-3 befallenen Lymphknoten hat. Laut www.adjuvantonline.com, eine Internetseite, die Risikobewertungs- und Prognosehilfe für viele Onkologen ist, hätte diese Frau eine 86.6%ige Chance, 10 Jahre später noch am Leben zu sein – auch dann, wenn sie gar keine adjuvante Chemotherapiebehandlung nach der Operation erhalten würde. Ihre Chance in diesem 10-Jahres-Zeitraum zu sterben ist also 8.8%. Ihre Wahrscheinlichkeit aus anderen Gründen als Krebs während dieser Zeit zu sterben beträgt 4.6%.
Wenn sie nur Hormontherapie als alleinige Behandlung wählte (typischerwiese Tamoxifen und ein Aromatasehemmer) könnte sie ihre 10-Jahre-Überlebenschancen um 2.7% verbessern. Wenn sie adjuvante Chemotherapie, wie z.B. das zuvor erwähnte ACT-Regime, erhielte, würde das ihre Überlebenswahrscheinlichkeit um vergleichbare 2.8% verbessern. Bekäme sie jedoch beiden, Hormontherapie und Chemotherapie, so würden sich ihre Chancen um zusammen 4.6% verbessern. In anderen Worten: Chemotherapie verbessert die 10-Jahrens Überlebenswahrscheinlichkeit gegenüber Operation plus Hormontherapie bei Brustkrebs um nur noch 1.7%!
Wenn sich diese Frauen für das ältere CMF-Regime (anstatt des ACT-Regimes oder eines der anderen Chemotherapieregimes der sogenannten zweiten oder dritten Generation) entscheiden sollten, so würde ihr 10-Jahres-Überlebensvorteil bei 1.4% liegen und die Verbesserung gegenüber einer alleinigen Hormontherapie läge bei nur noch 0.9%. Laut adjuvantonline.com, würden sie bei Verzicht auf Chemo also nur einen 0.8%igen Überlebensvorteil verlieren. Zumindest würden sie so jedoch die doch weit schwerer wiegenden Nebenwirkungen der beiden Medikamente Adriamycin und Taxol vermeiden.

Natürlich ist das erwähnte Beispiel nur ein Szenario aus einer großen Zahl an Möglich- keiten. Tumore variieren in Größe, Stadium, genetischen Charakteristika, in dem Grad ihrer Streuung usw. und es gibt Konstellationen in denen eine aggressive adjuvante Chemotherapie bei Brustkrebs durchaus zu rechtfertigen ist. Jedoch beinhalten die meisten dieser Fälle, in denen eine Chemotherapie Vorteile bewirken kann, wie wir ja schon gesehen haben, HER2-positive und ER-Negative Tumore. In diesen Fällen kann Taxol (und übrigens auch Herceptin) die Überlebenswahrscheinlichkeiten dahingehend verbessern, daß sie am Ende in etwa auf demselben Niveau liegen wie bei Frauen mit den weit verbreiteteren Brustkrebsvarianten HER2-negativ und ER-positiv.

Zusätzlich möchte ich die Aufmerksamkeit der Leser noch auf eine noch unveröffentlichte Studie lenken, die im Moment über den Köpfen der Onkologen schwebt. Laut diverser angesehener Pressestimmen haben Wissenschaftler die in Verbindung mit der BCIRG 006 Studie stehen auch herausgefunden, daß die Gabe von Anthracyclinen wie Adriamycin (Wirkstoff Doxorubizin) ebenfalls keinerlei Vorteil für 92% der Brustkrebspatientinnen zeigt (Bazell 2007). Nur bei 8% aller Frauen mit Brustkrebs – und zwar die, bei welchen ein spezielles Gen mit Namen Topoll-2 übermäßig vertreten ist (topoisomerase II alpha) – wird gesagt, können von einer anthrazyklin-basierten Chemotherapie profitieren, und zwar weil diese Medikamente direkt auf das Gen Topoll-2 wirken. Diese noch unveröffentlichte Studie wurde ausgiebig in einer der frühren Newsletter diskutiert.
http://www.cancerdecisions.com/070107.html
Wenn das der Fall ist, dann scheint es als müßte Adriamycin – von einigen Onkologen auch ‚der rote Tod’ genannt – ebenfalls aus den adjuvanten Behandlungsregimes der großen Mehrheit der Brustkrebspatientinnen herausgenommen werden. Vom vielgerühmten ACT-Chemotherapie-Regime zur Brustkrebsbehandlung bliebe dann nur noch Cyclophosphamid (Cytoxan) übrig, ein schon lang bekanntes und etwas weniger toxisches Medikament, daß von der US-Behörde für Nahrungsmittel und Medikamente (FDA) im November 1959 zugelassen worden ist – also in diesem Monat genau vor 48 Jahren! Wäre dies nicht eine günstige Gelegenheit für Onkologen, ihre Bemühungen um die verstärkt individuelle Behandlung aller Patienten zu intensivieren – und wäre es dazu nicht eine Chance die Anwendung ungiftiger Behandlungsverfahren aus dem Gebiet der komplementären und alternativen Medizin endlich ernsthaft zu untersuchen?
Quelle:
Ralph Moss‘ Cancerdecisions.com vom 28.10.2007
Ralph Moss‘ Cancerdecisions.com vom 04.11.2007
Verweise:

Abstract der Studie in Pubmed
Offizielle FDA-Auflistung der Nebenwirkungen von Taxol
Robert Bazells Bericht über die selektive Wirksamkeit von Adriamycin

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